Ummerstadt 1945 bis 1952

  

Ummerstadt nach dem 2. Weltkrieg

Nach den Vereinbarungen der Alliierten in Jalta war Thüringen Teil der sowjetischen Besatzungszone. Viele Flüchtlinge und nach Ummerstadt evakuierte Familien verließen die Stadt und wechselten häufig mit Hilfe ortskundiger Ummerstadter die Demarkationslinie, um in den Westen zu gelangen.
Am späten Nachmittag des 05. 07. 1945 trafen die ersten sowjetischen Soldaten in Ummerstadt ein und parkten auf dem Marktplatz. In den nächsten Tagen folgten weitere Truppen. Sie quartierten sich zunächst auch auf dem Viehmarkt ein. Da die Truppenstärke bald fast 100 Mann betrug, wurden einige Häuser Richtung Gemünda geräumt, und die Besatzungsmacht zog dort ein.
Es wurden an den Ausfallstrassen Schlagbäume errichtet. Die Soldaten kontrollierten den Ab- und Zugang zur Stadt. Diese Schlagbäume am Stadtrand wurden später zu Gunsten von Kontrollstellen in der Nähe der Demarkationslinie zur amerikanischen Zone aufgegeben.

Viele Ummerstadter hinderte dies aber nicht daran, diese künstliche Grenze zu überschreiten und weiterhin die Orte in Bayern aufzusuchen. Das fiel um so leichter als  Ummerstadter Bauern Äcker auf bayerischem Gebiet hatten und zu Feldarbeit die Sperrlinie überschreiten mussten. So ist auch so mancher Flüchtling, als Landarbeiter getarnt, über die Grenze gebracht worden. Die „Russen“ kontrollierten unregelmäßig, aber sie tauchten bei Feld- und Waldarbeiten auch überraschend auf und übten dann Kontrollen aus.
Im Herbst 1945 ereignete sich in der Nähe unserer Stadt eine weitere Tragödie.
Die Amerikaner entließen sehr schnell viele Kriegsgefangene aus ihrem Gewahrsam, aber nur dann, wenn sie in der amerikanischen Beatzungszone zu Hause waren. Vier junge ehemalige Soldaten aus Sachsen nahmen die Gelegenheit war und behaupteten, sie seien aus dem amerikanischen Gebiet. Sie wurden nach Coburg entlassen und überquerten bei Ummerstadt die Demarkationslinie, um sich weiter in Richtung Heimat durchzuschlagen
.

In der Nähe des Flurstückes „Teufelsloch“ wurden sie von einem russischen Soldaten entdeckt, der sie hinterrücks erschossen haben soll. Auch sie wurden bei den Soldaten auf unserem Friedhof begraben.

Die Russen zogen sich aus unerfindlichen Gründen im Oktober 1945 bis auf Höhe von Streufdorf zurück. Die Kontrolle des Unterlandes geschah in dieser Zeit nur sporadisch durch motorisierte oder berittene Streifen. Für etwa zwei Jahre entstand so eine Art Niemandsland. In dieser Zeit bemühte sich der Heldburger  Zahnarzt - und vom 10. April 1945 bis 31. Oktober 1945 kommissarischer Bürgermeister der Stadt Heldburg- Helmuth Steltzner darum, das Heldburger Unterland an die amerikanische Besatzungszone anzuschließen, u. a. mit der Begründung, die sowjetische Seite sei an diesem Landstrich nicht interessiert. Als seine Bemühungen im Sowjetsektor bekannt wurden, bekam er große Schwierigkeiten und wurde mehrmals verhaftet. 1950 floh er nach Westdeutschland, um einer weiteren Verhaftung zu entgehen.

Die drei westlichen Besatzungszonen schlossen sich zusammen, und schließlich wurde am 23. Mai 1949 die Bundesrepublik Deutschland gegründet. In der sowjetischen Besatzungszone wurde daraufhin am 07. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ausgerufen. Der eiserne Vorhang war gefallen.
Für Ummerstadt hatte dies einschneidende Folgen, denn es war ja von der Grenze nach Bayern fast umschlossen. Mit der Gründung der DDR kamen die ersten Grenzpolizisten in unsere Stadt. Die Russen blieben  aber auch noch einige Zeit. Auf der Kühlitze hatten sie ihre Baracke. Die Baracke war eine so genannte „Baracke 42“, die in Streufdorf abgebaut und auf der Kühlitze von Ummerstadter Handwerkern wieder aufgerichtet wurde. In der Folge musste die Trinkwasserversorgung der dort stationierten Soldaten durch Ummerstadter Fuhrwerke sichergestellt werden.

Rechnung in deutsch und russisch für die Trinkwasserversorgung der Soldaten auf der Kühlitze

Die „Blauen“, wie die ersten Grenzpolizisten wegen der Farbe ihrer Uniform genannt wurden, rekrutierten sich aus Teilen der Chemnitzer Stadtpolizei. Zunächst wohnten sie in Privatquartieren. Diese Art der Unterbringung führte dazu, dass sich stellenweise ein
Vertrauensverhältnis zwischen den Grenzpolizisten und den Einwohnern entwickelte, das die Grenzkontrollen teilweise durchsichtiger  und so den einen oder anderen Grenzübertritt ungefährlicher machte. Die  ersten Grenzpolizisten aus Chemnitz ersetzte man nach und nach durch Uniformierte, die eher freiwillig und sehr oft auch durch Versprechungen und durch politischen Druck für den Dienst an der Grenze rekrutiert wurden. Die private Unterbringung  wurde abgeschafft. Als Unterkunft wurde das ehemalige Gast- und Logierhaus Dressel benutzt. Später baute man eine Unterkunftsbaracke hinter dem Hirtentor. Anfang der 50er Jahre war es aber für Ortskundige immer noch möglich die „grüne“ Grenze zu überschreiten um Waren, die in der DDR nicht mehr oder nur sehr schwer zu bekommen waren, wie Zement, Futtermittel, Dünger etc. zu beschaffen, denn die Felder, die die Bauern im Westen besaßen, wurden immer noch von den Besitzern selbst bewirtschaftet.

In so manchem Mistwagen, der beladen Richtung Felder die in Bayern lagen fuhr, versteckten sich Dinge, die man im Westen in Sicherheit bringen wollte. Es war aber nicht immer ungefährlich die immer besser bewachte Grenze zu überschreiten. Oft wurden die Grenzgänger verfolgt, manchmal wurde auch auf sie geschossen.

Es wurden auch junge Leute aus den umliegenden Ortschaften in Bayern, die es sich nicht nehmen ließen, wie früher, zum Kirchweihtanz nach Ummerstadt zu kommen an der Grenze abgefangen und zur Vernehmung in die Grenzerbaracke gebracht. Sie wurden aber bald wieder entlassen und nach Bayern „abgeschoben“.

Bei einer, wahrscheinlich schlecht organisierten Ablöse der Grenzer, waren zwei Tage keine Bewacher vor Ort. Das nützten viele Anwohner aus den umliegenden Dörfern, die wahrscheinlich ahnten, dass es nicht besser werden würde mit Sack und Pack auf dem Leiterwagen und and den Wagen angebundenem Vieh, Richtung Gemünda die Grenze zu überschreiten. Nach zwei Tagen waren die Grenztruppe mit neuen Kräften vor Ort und die Fluchtbewegungen wurden gestoppt.

Schon Anfang der 50-er Jahre begann man die Demarkationslinie zur Bundesrepublik stärker abzuriegeln. Es wurde viel Wald gerodet und ein 10 Meter breiter Kontrollstreifen angelegt. Die Waldarbeiter kamen aus der ganzen DDR. Zusätzlich baute man einen Stacheldrahtzaun und Wachtürme entlang der Grenzlinie.  

Anlegen des 10 m Kontrollsteifens

Grenze mit 10 m Kontrollstreifen

Wachturm

Stacheldrahtzaun an der Grenze

Im Jahre 1952 verschärfte sich die Situation entscheidend. Die Grenze zur Bundesrepublik wurde abgeriegelt, und es kam zu besonderen „Grenzsicherungsmaßnahmen“. Eines der dunklen Kapitel dieser Zeit war die Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat im Zuge der so genannten Aktion „Ungeziefer“.

 

Verfasser:                                                                                         

Eberhard Eichhorn
Viehmarkt 99

98663 Ummerstadt

 

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