Die Töpferei in Ummerstadt

 

Seit Urzeiten werden aus Ton Gebrauchsgegenstände hergestellt. Die Töpfer gehörten zu den ersten "Handwerkern" in den Niederlassungen auch im heutigen Südthüringen. So kam es, dass schon lange vor dem Mittelalter in jeder Ansiedlung ein oder mehrere Töpfer tätig waren.
Nachdem die Anzahl der Werkstätten unkontrolliert zugenommen hatte, keine Qualitätskontrolle durchführt wurde und auch der Zugang zu den Märkten ohne Regeln war aber auch Missgunst und Neid, Konkurrenzdruck und Missachtung überhand nahm, kam Mitte des 16. Jahrhunderts auch im "Ortland Franken" der Wunsch nach klaren Regeln an die sich die verschiedenen Handwerksbetriebe, auch die Töpfer und Häfner (in heutigen Südthüringen wurden beide Bezeichnungen, ohne die Tätigkeiten zu unterscheiden, benutzt), zu halten hatten, auf.
So kam es, das 1559 die erste Zunftordnung für die Häfner im Ortland zu Franken niedergeschrieben wurde.
Die wenigen Ummerstadter Meister gründeten keine eigene Zunft, sondern waren, da sie ja in der "Pflege Coburg" zu Hause waren, Mitglied in Zunft des Ortlandes Franken.
Die Zünfte kontrollierten in den Städten die Anzahl der Handwerker und Gesellen und legten ihre Regeln, wie Ausbildungsregeln, Arbeitszeiten, Produktqualität und Preise, in einer Zunftordnung fest.
Die Zunftordnung regelte auch den Zugang zu den Märkten und legte genau fest in welchem Gebiet Märkte besucht werden durften. Auf der anderen Seite schützte die Zunft die Handwerker vor "ausländischer" Konkurrenz. (so wurde häufig von Häfnern, die nicht zur Zunft gehörten, versucht  im Gebiet z.B. Öfen zu setzen, was damals zum Aufgabengebiet der Häfner gehörte)
Bei Verstößen gegen die Zunftordnung oder bei Streitigkeiten unter den Zunftmitgliedern griff die Zunft durch Vermittlung, Schiedssprüche oder Sanktionen regelnd ein.
Diese Zunftordnungen mussten von der Obrigkeit, in unserem Fall Johann Friedrich der Mittlere, stellvertretend für seine mitregierenden Brüder, genehmigt werden. ("Innungs-Articul deß Häfner Handwerks")
Bis Anfang des 17. Jahrhunderts nahm die Bevölkerung im Ortland Franken rasch (von Anfang 1500 bis Anfang 1600 ca 50% in vielen Ämtern der Pflege Coburg) zu und dem entsprechend  stieg auch die Anzahl der Handwerker also auch der Töpfer.
Die Töpfer ließen sich vorzugsweise dort nieder, wo die Bedingungen für ihr Handwerk, (Tonvorkommen , Holz) günstig waren. Dies war in Ummerstadt der Fall. Man baute den Ton in Colberg (Tonberg) und in der Nähe von Gemünda (Muggenbacher Tongruben) ab. Holz stand im sehr großen Stadtwald (ca. 630 Hektar) der Stadt Ummerstadt zu günstigen Preisen zur Verfügung.
1608 wurden die verschärfte Zunftordnung von Herzog Johann Casimir bestätigt.. Die Meistersöhne wurden bevorzugt zur Prüfung zugelassen. Sie mussten aber jetzt zwei Jahre, statt ein Jahr auf Wanderschaft gehen. Darüber hinaus wurden die neuen Meisterstücke einheitlich festgelegt.
Der Dreißigjährige Krieg veränderte auf brutale Weise die Verhältnisse in Südthüringen und dem Coburger Land.
Gerade in Südthüringen und im Coburger Land wütete der lange schreckliche Krieg im besonderen Maße. Von den vor dem Krieg 700 Einwohnern von Ummerstadt 1648 überlebten gerade noch 100 "Seelen".
Nach Ende des 30-jährigen Krieges  nahm die Bevölkerung der Stadt Ummerstadt durch Einwanderung und Rückkehrer immer mehr zu. Besonders das Handwerk siedelte sich in Ummerstadt neu an. Es begann die Blüte der Töpferei (Häfnerei), die Ummerstadt weit über seine Grenzen hinaus bekannt machen sollte. Die Bedingungen für eine Neuansiedlung waren ja günstig und ein genügend großer Absatzmarkt war auch vorhanden. So vermehrte sich die Anzahl der Töpfermeister von den vier den Krieg überlebenden auf dreizehn Meister (1727)

 Schon im Jahr 1666 sind wieder eine ganze Reihe von Häfnern genannt worden, die für ihr Handwerk Steuern zahlen mussten u.a. wird auch ein Meister Gutjahr genannt, dessen Nachfahren noch über Generationen dieses Handwerk ausübten.

 1686 wurde in einer neuen Ordnung versucht, die Bedingungen in der Zunft wieder neu zu ordnen. Dabei wurden die Regeln von 1608 erneut verschärft (z.B. wurde für die Erlangung des Meistertitels ein schwierigeres Meisterstück verlangt) Herzog Albrecht bestätigte die neue Zunftordnung für die jetzt, da nach einer Erbteilung 1640 Heldburg und Ummerstadt nicht mehr zum Herzogtum Coburg gehörten, grenz übergreifende Zunft.
Die Häfner im Amt Sonnefeld verselbständigten sich bald mit einer eigenen Zunftordnung.
Nach der Loslösung der Töpfer im Amt Sonnefeld stellten 1727 auch die Ummerstadter eine eigene Zunftordnung auf.

.Am 8. Mai 1727 wurde diese neue Innung samt der Handwerkslade eingeweiht und „zugleich das Handwerkszeichen im Rathaus an- und aufgesteckt.“  Die Innungslade soll 1941 noch im Rathaus von Ummerstadt gestanden haben und steht heute (2016) im Heimatmuseum der Stadt Ummerstadt.

 

  

Dreizehn Meister betrieben damals bereits ihr Handwerk in Ummerstadt: Lorenz Gutjahr, Nicol Rosa sen., Stefan Schütz, Zacharias Bathelmann, Johann Rosa, Hans Georg Streit, Minna Burckhardin, Nicol Stößel, Georg Peter Gutjahr, Nicol Rosa jun., Johann Georg Berghold, Johann Heillos und Hans Heinrich Köhler.

 

Es gibt eine ganze Reihe von Familien, die in Ummerstadt über viele Generationen das Töpferhandwerk ausübten.

Einige Beispiele:
Die Familie Roß (Rosa, Ros) wird ab 1595 bis 1909, also über 300 Jahre, als Töpferfamilie in Ummerstadt geführt. Sie stellen auch Ziegel her.

 

 

Georg Stößel (Stösel) kommt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Mitwitz nach Ummerstadt, heiratet hier seine aus Ummerstadt stammende Frau Dorothea und erwirbt 1653 die Meisterwürde. Seine Nachkommen arbeiten bis etwa 1914 hier als Töpfer.
Johann Ernst Schramm war ein Töpfersohn aus Altershausen (bei  Königsberg) und wird 1796 Meister. Seine Nachkommen arbeiten hier bis 1856 als Töpfer.
Die Familie Gutjahr ist seit ca. 1727 in Ummerstadt. Erich Gutjahr arbeitete noch als Töpfergeselle bei seinem Vater Otto August Christian Gutjahr, der 1934 verstorben ist.



Johann Nicolaus Biedermann wird 1794 als, Töpfer in Ummerstadt genannt. Seine Nachkommen arbeiten bis 1922 als Töpfer in Ummerstadt.

Max Weis ist 1871 geboren und wurde 1893 Meister und betrieb seit dem auch eine eigene Werkstatt. Seine Nachkommen waren noch bis ca. 1937 als Töpfer tätig.

 


 

 

Die zahlenmäßig am stärksten vertretene  Töpferfamilie ist die Familie Berghold.

Um 1720 ist ein Johann Georg Berghold nach Ummerstadt eingewandert. (siehe auch "Bekannte und berühmte Einwohner Ummerstadts" bei www. ummerstadt.de). Er hat die Tochter des aus Frankreich stammenden und über Maastrich etwa zur gleichen Zeit nach Ummerstadt gekommenen Pfeifenmachers Jaques Taverniere geheiratet und begann mit seiner Arbeit als Töpfer.

Fast alle seine Nachkommen haben in Ummerstadt als Töpfermeister gearbeitet.

Einer der bekannten ist Heinrich Christoph Conrad Berghold (1849 - 1931), bekannt auch als "Hans Sachs von Ummerstadt". Aus dieser Familie stammt auch der letzte in Ummerstadt tätige Töpfermeister, nämlich Leopold Berghold.

 

 




 

 


 

Obwohl schon ab Mitte des 18. Jahrhunderts die Nachfrage nach der einfachen aber haltbaren und schönen Irdenware aus Ummerstadt stark gewesen ist, war der Höhepunkt der Töpferei in Ummerstadt wohl Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die Töpferwaren wurden zwar auch auf Märkten in Arnstadt, Wasungen, Stadtilm verkauft aber überwiegend an die Hofhaltungen sächsisch-thüringischer Kleinstaaten geliefert. Meist waren es Krüge und Häfen. Das seltener hergestellte Tischgeschirr wurde eher vom Bauern- und Handwerkerstand auf den Märkten gekauft.

Neben immer wiederkehrenden Ziermotiven, wie die Blume, war das mit Sprüchen verzierte Geschirr sehr beliebt.

 

 


 

 

Die Töpfer verzierten ihre Teller, Tassen und Krüge mit Versen die häufig ironisch gemeint sind und der Ummerstadter Art Ausdruck verliehen.

Einige Beispiele:

 

-                      Wer viele solche Sachen kauft, dem das Glück von selbst nachlauft

-                      Gott der Schöpfer war der erste Töpfer

-                      Liebchen höre meine Bitte, öffne mir dein Fensterlein

-                      Meine Frau ist in der Kerche und singt wie eine Lerche

-                      Alle Morgen muß ich sorgen, wo soll ich meinen Kaffee borgen

-                      Aus Erde bin ich geworden, aus Erde form ich viel: ich muss, so lang ich lebe, nur in der Erden wühl.

-                      Blumen malen, ist allgemein, den Geruch zu geben, kann Gott allein.

-                      In meiner Stube rußt der Ofen, in meinem Herzen ruhst nur du.

-                      Werde nur nicht wunderlich, wenn ich sag ich liebe dich.

-                      Ob gut, ob schlecht das Jahr auch sei, ein bisschen Frühling ist immer dabei

-                      Ohne Bier und ohne Wein soll der Teufel Töpfer sein

-                      Oh du edler Gerstensaft, Wasser gibt mir keine Kraft

-                      Ach wie wird mein Schätzchen lachen, wenn wir werden Hochzeit machen.

-                      Da draußen vor dem Ofenloch sitzt meine Frau und brummelt noch.

-                      Einer alleine, das ist nicht feine, aber einer und eine und die beiden alleine, das ist feine!

-                      Fische, Vögel und Forellen essen gern die Töpfergesellen

-                      Liebchen, wenn die Sterne funkeln, kann man gut im Dunklen munkeln

-                      Lieber will ich ledig leben, als der Frau die Hosen geben.

-                      Alte Taler, junge Weiber sind die besten Zeitvertreiber

 

Als nach dem Krieg 1870/71 im neu gegründeten Deutschen Reich eine Währungsumstellung (1875) stattfand und damit die alten unterschiedlichen Währungen der Kleinstaaten abgeschafft wurden, soll ein Ummerstadter Töpfer eines seiner Geschirre mit dem Spruch „Das alte Geld ist weg, nun haben wir den Dreck“ verziert haben. Als er nach ein paar Tagen aus dem Gefängnis, in dem er wegen Beleidigung der Obrigkeit saß, entlassen wurde, hätte er, so wird berichtet, auf seinem nächsten Teller geschrieben „Der Töpfer war im Loch, aber Dreck bleibts doch“.

 

 

                                             

 

 Ummerstadter Kaffeehafen (Kafäi-Houfm, -Haferla)

 

 

 

 

Zunächst haben die Ummerstadter Töpfer ihre Waren in der nächsten Umgebung abgesetzt, d.h. die Käufer kamen in die Werkstatt und kauften dort ihren Bedarf. Aber schon bald weitete sich der Handel auf die öffentlichen Märkte der umliegenden Ortschaften aus. Diese Aufgabe übernahmen oft die Meisterfrauen. Sie besuchten die Märkte in Coburg, Hildburghausen, Suhl, Eisenach, Sonneberg, Lauscha, Rettwitz, Saalfeld, Tettau und Gotha um dort ihre Waren feilzuhalten.

Dies ging nicht immer ohne Streit und Eifersüchteleien ab.

1744 soll z.B. Meister Heillosens Frau auf dem Jahrmarkt in Suhl von Meister Bergholds Frau beschimpft worden sein. Meister Berghold soll 6 Groschen Strafe dafür bezahlt haben.

Um 1850 exportierten die Ummerstadter Töpfer große Mengen (bis 1380 Zentner jährlich) an den begehrten Waren ins „Ausland“ d.h. in die benachbarten Kleinstaaten. Der 1720 (+ 1751) zugewanderter Tabakspfeifenmacher, Jaques Taverniere, der ein altes Haus  „auf dem Rangen“ besaß,  führte die Tabakspfeifenherstellung in Ummerstadt ein. Hergestellt wurde die holländische Form: eine Tonpfeife mit langem Rohr.

Töpfermeister, die nicht mehr in der Lage waren das eigentliche Töpferhandwerk zu betreiben, übernahmen die Produktion. Solche Pfeifen handelte man bis nach Nürnberg,  Hammelburg,  Schweinfurt, sogar bis Norddeutschland.

(Bei Ausgrabungen auf dem Viehmarkt wurde noch 2010 ein gut erhaltener Pfeifenkopf entdeckt.)

 

Die Töpferei in Ummerstadt ging schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts in eine Krise. Die alten Innungen zerbrachen, die Verwendung von Email- und Aluminiumgeschirr minderte den Bedarf und neue Bestimmungen, die eine Glasur mit Bleizusätzen, wie in Ummerstadt fast immer angewendet, untersagten, brachte einen Rückgang des Handwerks.

1934 arbeiteten letztlich noch drei Töpfermeister in Ummerstadt. Es waren dies die Werkstätten Leopold Berghold, Max Weis und Otto Gutjahr.

Der Versuch, den Töpfersohn Leopold Berghold umzuschulen und die Bauerntöpferei in Richtung auf das Kunstgewerbe zu lenken, misslang. Im 2. Weltkrieg wurde Leopold Berghold Soldat und sein Betrieb konnte während der Kriegszeiten nicht fortgeführt werden. In russischer Kriegsgefangenschaft musste er in einem Bergwerk arbeiten. Um 1953 erst kehrte er in seine Heimat zurück Er versuchte, das Handwerk wieder weiter zu führen. Die guten Tone aber, die aus Gemünda, also aus Bayern, das ja nun amerikanische Zone war, fehlten. Er gab seinen  Beruf auf und starb 1963.

Damit war es mit der Ummerstadter Töpferei zu Ende.

 

(Birgit Jauering-Hofmann und Werner Schömweiß haben in der Schriftenreihe der Historischen Gesellschaft Coburg e.V. einen ausführlichen und fundierten Bericht über die Töpferei in Ummerstadr gegeben.)

Verfasser:                                                                                                                                                                               Ummerstadt, 30.07.2016

Eberhard Eichhorn
Viehmarkt 99
98663 Ummerstadt

 

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